Wer was wo wann über das „Österreich-Dorf“ aufgrund welcher „Informationen“ auch immer schreibt, können wir, die wir hier im Einsatz sind, nicht kommentieren, weil wir die Berichterstattung naturgemäß nicht verfolgen können. Der Südwind-Artikel ist uns von einer anreisenden Kollegin übermittelt worden. Gehen wir von der realen Situation hier aus, die mit Sicherheit sowohl für „positive“ als auch für „negative“ Berichterstatter schwer nachvollziehbar ist, so ergibt sich die Notwendigkeit, einige wichtige Punkte, die in Ihrem Artikel entschieden falsch interpretiert sind, klar zu stellen.
Prinzipiell ist zwischen Sofort-(Katastrophen-)Hilfe und mittelfristig struktureller Entwicklungszusammenarbeit zu unterscheiden. Im Moment geht es für die von dem Tsunami-Desaster am stärksten betroffenen Menschen darum, vor dem Monsun ein Dach über dem Kopf zu haben. Partizipative Ansätze und Community Building müssen – so wichtig sie auch sind – diesem primären, unter enormem Zeitdruck zu realisierenden Ziel derzeit untergeordnet werden. In einer sehr chaotischen Situation – die durch den Umgang der Regierung und der lokalen Behörden mit der Krise, aber auch durch den Wettbewerb der NGOs untereinander dramatisch verschärft wird – entbehrt es nicht eines gewissen – sicherlich ungewollten – Zynismus, den Hilfsorganisationen Ignoranz gegenüber den „Bedürfnissen der Opfer“ vorzuwerfen: Denn das, was jetzt für die Leute zählt, ist gegen vielerlei Widerstände Infrastrukturen zu schaffen, Häuser zu bauen, kleine Wirtschaftskreisläufe wieder in Gang zu setzen (Werkzeuge, Produktionsmittel), die Fischerei zu stützen (Bootsreparatur, Bau von neuen Booten, Netze etc.). Die Leute in den schwer betroffenen Dörfern sind wütend, von inländischen und ausländischen NGOs ständig über „Bedürfnisse“ befragt zu werden, während vergleichsweise – gemessen an den Abermillionen, die hier auf Konten liegen – bis jetzt nahezu nichts an effektiver Hilfe realisiert worden ist. Ein zentrales Argument in ihrem Artikel sind die Kosten betreff des Häuserbaus. Sie berufen sich auf die Information „lokaler NGOs“, dass um 1.200 bis 1.600 Euro adäquate Häuser zu bauen wären. Die Regierung hat neben einer Reihe anderer durchaus vernünftiger „Guidelines“ auch eine Verordnung erlassen, dass die Mindestkosten für Neubauten zumindest 4.000 US-Dollar und die Mindestgröße der Häuser zumindest 500 sq ft (ca. 47 m2) betragen. Zu betragen haben. Den Leuten hier sollen keine minderwertigen Billighäuser ohne Infrastrukturen zur Verfügung gestellt werden – wie dies einige kleine NGOs, aber vor allem Privatleute (meistens ehemalige Touristen) tun. Hinzu kommen die Kosten für Land-Clearing, Elektrifizierung, Wasserversorgung – die Brunnen sind in küstennahen Gebieten versalzt – und bei den „Resettlement-Programmen“ die Kosten für die Erschließung des Landes, für Straßen, Zuleitungen, Kanalsysteme – Entwässerung in der Monsunzeit – etc. Zudem ist es etwas anderes, ob man mit „freiwilliger Arbeit“ in den Dörfern ein Dutzend Billighäuser auf bereits bestehendem Land – also außerhalb der 100 Meter Zone baut – oder ob man, wie dies in dem Kurier Aid Austria-Programm vorgesehen ist, Hunderte Häuser baut, wobei die meisten von ihnen im Rahmen von Resettlement-Programmen entstehen, die zwangsläufig neues Land und eine größere Bauinfrastruktur voraussetzen. Die Notwendigkeit für dieses Resettlement ergibt sich aus dem sinnvollen Gesetz, dass innerhalb der 100-Meter-Zone nicht gebaut werden darf. Diese legistische Regelung gibt es seit mehr als dreißig Jahren, Anlass dafür waren saisonale Springfluten. Es ist durchaus vernünftig, in dieser Situation auf die Einhaltung dieses Reglements zu bestehen. (Das kolportierte Argument, dass die Küste für den Tourismus „leergeräumt“ werden soll, ist absurd: denn auch für kleinere Tourismusprojekte war es und ist es vergleichsweise einfach, küstennahe Siedler „auszukaufen“.)
Es ist in Ihrem Artikel von „wildem Aktionismus“ die Rede. Das Team Kurier Aid Austria besteht neben Fachleuten aus der Bauwirtschaft ausnahmslos aus MitarbeiterInnen, die jahrelange Erfahrung in der entwicklungspolitischen Arbeit haben. Diese Erfahrungen sollen der längerfristigen Projektlaufzeit von drei Jahren, die sie Ihren Lesern verschweigen, zugute kommen. Denn, so rasch auch jetzt gebaut werden wird, so wichtig werden die begleitenden und erst mittelfristig wirksam werdenden partizipativen Sozialprogramme sein. Kurier Aid Austria arbeitet bei der momentan laufenden Identifizierung der Bauflächen und jener Familien, die in das Programm aufgenommen werden, eng mit der singhalesischen NGO South Asian Partnership zusammen. Zur Zeit sind fünf Sozialarbeiter dieser lokalen NGO im Einsatz, die zusammen mit KAA-MitarbeiterInnen von Familie zu Familie gehen, jeden „Fall“ einzeln aufarbeiten, Dorfversammlungen und Diskussionsrunden abhalten. Im Moment geht es dabei vor allem um die Klärung von Land- und Baufragen, aber auch um erste Hilfestellungen, die kleine Einkommen zu generieren helfen. In einem zweiten Schritt wird es um intensiveres Community Building und die Schaffung nachhaltiger Strukturen im sozialen und sozio-ökonomischen Bereich gehen: Schulen, Werkstätten, medizinische Versorgung, Women Empowerment, Belebung des Gewerbes und vor allem Förderung der Fischerei. Aber all diese Maßnahmen benötigen Zeit. Zeit, die es hinsichtlich des Häuserbaus – den „Bedürfnissen“ der Leute entsprechend – nicht gibt. Gerade deswegen ist die Laufzeit von Kurier Aid Austria auf drei Jahre anberaumt, wobei etwa ein Drittel der Gelder für begleitende partizipative Sozialprogramme vorgesehen ist. Diese wesentliche Dimension des Programmes fehlt völlig in ihrer Berichterstattung. Die Einseitigkeit, die uns in Ihrem Artikel vorgeworfen wird, setzt sich in der Einseitigkeit der Inhalte Ihres Artikels fort.
Das Team von Kurier Aid Austria
Habaraduwa, Sri Lanka